
Gäste in der mittelalterlichen Stadt
In einer mittelalterlichen Stadt war die Anwesenheit von Gästen ein zweischneidiges Schwert. Einerseits waren sie für den wirtschaftlichen Austausch unerlässlich, andererseits begegnete die Stadtgemeinde ihnen mit Argwohn. Ohne feste soziale Bindungen galten Fremde als potenzielle Unruhestifter. Um den Stadtfrieden zu sichern und gleichzeitig den Handel zu fördern, regelte das Gastrecht die Bedingungen für den Aufenthalt von Fremden.
Schutz für die Stadt und den Gast
Jeder, der sich nur vorübergehend in einer Stadt aufhielt, galt als Gast. Er hatte kein Bürgerrecht und war von städtischen Privilegien ausgeschlossen. Doch die Städte erkannten, dass der Handel mit auswärtigen Kaufleuten notwendig war, und gewährten ihnen durch das Gastrecht eine gewisse Sicherheit. Jeder Gast wurde einem „Wirt“ zugewiesen – nicht im Sinne eines Gastwirtes, sondern eines Bürgers, der ihn in seinem Haus aufnahm. Dadurch unterstand der Gast für die Dauer seines Aufenthalts dem Hausrecht des Wirtes, was ihn in das soziale Gefüge der Stadt integrierte. Erst später entwickelte sich das Herbergswesen, bei dem Fremde gegen Bezahlung untergebracht wurden.
Schneller Rechtsschutz für Kaufleute
Besonders für kaufmännische Gäste war eine schnelle rechtliche Absicherung wichtig, da sie sich oft nur kurz in der Stadt aufhielten. Ohne Verwandte oder Freunde vor Ort konnten sie keine Eidesgenossen stellen, die ihre Rechtsansprüche unterstützten. Daher bot das Stadtrecht spezielle Regelungen für ihren Schutz.
Wenn ein Gast Ärger machte…
Obwohl Gäste grundsätzlich Schutz genossen, galten für sie besondere Regeln. Falls ein Gast seinem Wirt „entlief“, durfte dieser ihn beispielsweise nach einer Regelung der Alten Saalfelder Statuten (Nafang 14. Jahrhundert) verfolgen und sogar mit Faustschlägen zurück in sein Haus bringen – ohne eine Strafe fürchten zu müssen.
Ähnlich war es, wenn ein Gast seinen Wirt beleidigte oder bedrängte: In diesem Fall durfte der Wirt ihn nach den Saalfelder Statuten auch mit Gewalt in die Schranken weisen. Allerdings musste er dies vor vertrauenswürdigen Zeugen beweisen, um nicht selbst belangt zu werden.
Gäste und der Stadtfrieden
Ein Gast war nicht automatisch Mitglied der christlichen Stadtgemeinde. Daher legten die Alten Saalfelder Stauten fest, dass für einen auswärtigen Mann nicht die Kirchenglocken geläutet werden sollten.
Zum Schutz des Stadtfriedens wurde nach dem Saalfelder Stadtrecht bestimmt, dass jeder – unabhängig von seinem sozialen Stand – das Recht hatte, einen gewalttätigen oder schadensverursachenden Fremden festzunehmen und ihn vor den Richter zu bringen. Damit konnten sich Bürger direkt gegen Störungen von außen zur Wehr setzen.