
Rückzahlung von Fortbildungskosten

Arbeitgeberfinanzierte Fortbildung und Rückzahlungsklauseln – Ein Urteil des BAG
Es ist nicht selten, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer die Fortbildung finanziert und ihn dabei finanziell unterstützt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 25. April 2023 über einen solchen Fall unter dem Aktenzeichen 9 AZR 187/22 entschieden.
Was war passiert?
Welcher konkrete Sachverhalt dem Urteil zugrunde liegt, ist nicht bekannt. Es könnte sich jedoch wie folgt zugetragen haben:
Maike Tasten ist seit einigen Jahren bei Bernd Buch als Buchhalterin angestellt. Möglicherweise kamen die beiden bei einem Kaffee in der Mittagspause auf die Idee, dass Maike bereits über umfassendes Wissen im Bereich der Steuerberatung verfügt und die Steuerberaterprüfung problemlos bestehen könnte. Bernd hatte bereits einige Buchhalter bei der Vorbereitung auf das anspruchsvolle Steuerberaterexamen unterstützt.
Maike fühlt sich durch das Lob geschmeichelt und erklärt sich bereit, die Prüfung abzulegen. Wenig später schließen beide einen Vertrag, den Bernd regelmäßig für solche Fälle verwendet – er ersetzt lediglich den Namen und den Förderbetrag im Vordruck. Der Vertrag enthält eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall, dass Maike:
- innerhalb von 24 Monaten nach bestandener Prüfung das Unternehmen verlässt,
- innerhalb von 24 Monaten nach nicht bestandener Prüfung das Unternehmen verlässt oder
- die Prüfung wiederholt nicht ablegt.
Zudem enthält der Vertrag eine Härtefallregelung, nach der Maike im Falle einer dauerhaften Erkrankung oder der Pflege von Angehörigen für die Dauer der Verhinderung von der Rückzahlungspflicht befreit ist.
Beide unterschreiben den Vertrag, und Bernd übernimmt daraufhin fast 5.000 Euro an Ausbildungskosten. Allerdings tritt Maike nie zur Prüfung an und arbeitet inzwischen nicht mehr für Bernd. Dieser fordert nun sein Geld zurück und verklagt Maike auf Rückzahlung.
Die Entscheidung des BAG
Der Rechtsstreit begann 2021 vor dem Arbeitsgericht Lingen und wurde nun in letzter Instanz vom Bundesarbeitsgericht entschieden. Das BAG entschied, dass Maike die gezahlte Summe nicht zurückerstatten muss.
Der Grund: Bernd hatte mit der Vereinbarung sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwendet, die einer besonderen rechtlichen Prüfung unterliegen. Werden Vertragsbedingungen von einer Partei – in diesem Fall Bernd – für mehr als drei Vertragsabschlüsse genutzt, gelten sie als vorformulierte Vertragsbedingungen.
Sobald die „AGB-Tür“ geöffnet ist, muss nach § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB geprüft werden, ob die Klauseln den anderen Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Genau das hat das BAG getan und festgestellt, dass die Rückzahlungsklausel eine unangemessene Benachteiligung darstellt.
Das Gericht argumentiert, dass eine solche Klausel einen erheblichen Druck erzeugen kann, im bestehenden Arbeitsverhältnis zu verbleiben, und damit das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) einschränkt. Eine Rückzahlungspflicht muss daher einem berechtigten und schutzwürdigen Interesse des Arbeitgebers dienen und zugleich die möglichen Nachteile für den Arbeitnehmer angemessen ausgleichen.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Rückzahlungspflicht nicht über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers hinausgehen darf. Ein Arbeitnehmer mit einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 1.400 Euro kann beispielsweise nicht dazu verpflichtet werden, Ausbildungskosten in Höhe von 20.000 Euro auf einmal zurückzuzahlen.
Die Wertung der Interessen beider Parteien – ein fiktives Beispiel
Bernd ist verärgert. Eigentlich wollte er Maike nur unterstützen, doch nun bleibt er auf den Kosten sitzen, weil er ein standardisiertes Vertragsformular verwendet hat. „Maike ist fein raus, und am Ende ist der Unternehmer immer der Dumme!“, denkt er sich.
Maike wiederum hat sich entschieden, doch keine Steuerberaterin zu werden. Nach einer intensiven Selbstreflexion kam sie zu dem Schluss, dass sie lieber einen Beruf ergreifen möchte, bei dem sie direkt mit Menschen arbeitet. Sie absolviert nun eine Ausbildung zur Pflegefachkraft.
Die Kündigung bei Bernd fiel ihr schwer, da sie sich wegen der Ausbildungsvereinbarung und der möglichen Rückzahlung Sorgen machte. Erst die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern ermutigte sie, diesen Schritt zu wagen.
Betrachtet man die Interessen beider Parteien, wird deutlich, dass Arbeitgebern viele Pflichten auferlegt werden. Sie tragen eine hohe Verantwortung für ihr Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Bernd hat sich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden und nimmt die damit verbundenen Herausforderungen in Kauf.
Maike hingegen bevorzugt die Sicherheit eines Angestelltenverhältnisses. Sie schätzt die Planbarkeit eines festen Gehalts und nimmt dafür in Kauf, Weisungen eines Arbeitgebers zu befolgen, feste Arbeitszeiten einzuhalten und Urlaub nach Vorgabe zu nehmen.
Zwischen den beiden besteht nicht nur ein arbeitsrechtliches Verhältnis – mit Bernd als weisungsbefugtem Arbeitgeber und Maike als weisungsgebundener Arbeitnehmerin –, sondern auch ein zwischenmenschliches Machtgefälle. Damit dieses Machtverhältnis ausgewogen bleibt, sind Entscheidungen wie die des BAG erforderlich.
Hätte Maike nicht auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern zählen können, wäre sie möglicherweise gezwungen gewesen, die Ausbildung abzuschließen und noch zwei Jahre bei Bernd zu arbeiten – ungeachtet ihrer eigentlichen Wünsche.
Natürlich könnte man einwenden, dass sie sich der Rückzahlungsverpflichtung bewusst gewesen sein muss. Doch was wäre gewesen, wenn sie von Anfang an abgelehnt hätte? Hätte Bernd ihr dann möglicherweise gekündigt?
Das Arbeitsrecht und die Rechtsprechung des BAG zielen darauf ab, durch einheitliche Kriterien eine gerechte Balance zwischen den Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern herzustellen. Der Wermutstropfen liegt in der Tat oft beim Arbeitgeber, da er die Verantwortung trägt.